Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des stets Barmherzigen:
Alles Lob und aller Dank gebührt Allah, dem Herrn aller Nationen. Friede sei mit all Seinen Gesandten und rechtschaffenen Dienern.
Im vorangegangenen Teil haben wir gelernt, dass Moses, Friede sei mit ihm (Fsmi), den ersten Teil der Thora erhalten hat. Jener stellt die Grundlage für alle zukünftigen Offenbarungen dar und beinhaltet die fundamentalen Glaubensinhalte. Die Verse, die Moses (Fsmi) darin offenbart wurden, dienten als ein Unterscheidungsmaßstab, mit dem jeder zwischen richtig und falsch unterscheiden konnte. In diesem Teil werden wir erneut an die gewaltige Sünde der Söhne Israels anknüpfen und erfahren, wie sie sich nun aus der Misere, Allah das goldene Kalb beigesellt zu haben, befreien konnten.
وَإِذْ قَالَ مُوسَىٰ لِقَوْمِهِ يَا قَوْمِ إِنَّكُمْ ظَلَمْتُمْ أَنْفُسَكُمْ بِاتِّخَاذِكُمُ الْعِجْلَ فَتُوبُوا إِلَىٰ بَارِئِكُمْ فَاقْتُلُوا أَنْفُسَكُمْ ذَٰلِكُمْ خَيْرٌ لَكُمْ عِنْدَ بَارِئِكُمْ فَتَابَ عَلَيْكُمْ ۚ إِنَّهُ هُوَ التَّوَّابُ الرَّحِيمُ
Moses hatte zu seinem Volk gesprochen: „O mein Volk! Wahrlich, ihr habt euch selbst Unrecht getan, indem ihr das Kalb (zum Gott) genommen habt. So kehrt reumütig zu eurem Befreier zurück und tötet euch selbst. Bei eurem Befreier ist das besser für euch.“ So hatte Er eure Reue angenommen. Wahrlich, Er ist der stetige Annehmer der Reue, der stets Barmherzige.
~ Al-Bakara (Die Kuh) 2:54
„Ihr habt euch selbst Unrecht getan!“
Wenn wir uns an die bisherigen Ereignisse im Leben der Söhne Israels erinnern, sehen wir, dass Allah sie auf bemerkenswerte Weise aus der pharaonischen Sklaverei befreit hat. Nichtsdestotrotz vergaßen sie all dies nur kurze Zeit später und ließen sich bei der ersten Gelegenheit irreleiten. Obwohl Allah es gewesen ist, der sie errettete, ließen sie all das Lob und all den Dank einem goldenen Kalb zukommen, welches sie mit ihren eigenen Händen aus ihren eignenen Wertgegenständen erbaut hatten. Haben sie Allah damit geschadet? Oder hat Moses (Fsmi) deshalb seinen Rang bei Allah verloren? Nichts dergleichen! Wer sündigt und vom Weg abkommt, tut es ausschließlich gegen sich selbst. Die Söhne Israels haben sich selbst Unrecht getan und sollten folglich auch selbst für diese Sünde büßen.
Genau so verhält es sich auch mit uns. Wenn wir eine Sünde begehen, tragen nur wir selbst ihre Konsequenzen. Allah ist weder auf unsere guten Taten angewiesen noch schaden wir Ihm, wenn wir etwas Schlechtes tun. Meistens zeigen sich die Konsequenzen bereits im Diesseits. Wenn wir unsere Sünden nicht bereuen und uns bessern, werden sie uns auch am jüngsten Tag zur Last werden. Doch ist die Barmherzigkeit Allahs so groß, dass Er selbst den damaligen sturen und unverständigen Söhnen Israels vergab.
Warum sollen sie sich selbst töten?
Als Befreiung von der Sünde gibt Moses (Fsmi) ihnen zwei verpflichtende Anweisungen. Zunächst einmal sollten sie reumütig zu ihrem Befreier, zu ihrem Herrn Allah, zurückkehren. Sie sollten innerlich bereuen und bereit sein, ein neues gottgefälliges Leben zu führen. Seinen Fehler einzusehen und dies offen zu bekunden, ist unabdingbar, um Allahs Barmherzigkeit zu erhalten. Denn nur wer aufrichtig nach Seiner Vergebung strebt, wird sie auch erhalten.
Die zweite Anweisung bestand darin, dass sie sich selbst töten sollten. Dies ist die wortwörtliche Übersetzung dieses Verses. Doch wie können wir diese Aussage verstehen? Zunächst wird eindeutig, dass damit kein Selbstmord gemeint ist, da dies den Geboten Gottes und dem Lauf der Geschichte eindeutig widersprechen würde. Deshalb können wir zwei verschiedene Interpretationen anführen, die auch von den Tafsir-Gelehrten festgehalten wurden:
- Die erste mögliche Bedeutung ist metaphorischer Art. Dies würde bedeuten, dass sie ihr Ego, die Sünde in ihrem Herzen bzw. ihren inneren Satan töten sollten. Daraus würde folgen, dass eine intensive Reinigung des Herzens und der Absichten stattfinden würde.
- Als zweite Option hätten wir die wortwörtliche Aussage des Verses. Jedoch würde hier mit sich selbst nicht die Bedeutung entstehen, dass jeder sein eigenes Leben nimmt, sondern sie sich innerhalb des Volkes gegenseitig töten; insbesondere dass somit diejenigen getötet werden, die bei der Ausführung und Verbreitung der Sünde Schlüsselrollen gespielt haben. Diese Interpretation klingt auf den ersten Blick etwas radikal, wird in der Bibel jedoch genauso geschildert. Folglich lässt sich diese Möglichkeit theoretisch nicht gänzlich ausschließen.
Auf der anderen Seite vergibt Allah jede Sünde – selbst die Beigesellung. Menschen zu töten, nachdem diese ihre Sünden aufrichtig bereut haben, entspricht nicht dem koranischen Narrativ – egal wie groß diese Sünde auch gewesen sein mag. Selbst wenn es in diesem Fall von Allah so angeordnet war, lässt sich für uns heute keine allgemeine Anwendung ableiten. Denn dass ein Teil eines Volkes einen anderen aufgrund ihrer Sünde tötet, kann nicht über eine eigenständige Direktion geschehen. Für uns bleibt in jedem Fall die wichtige Lehre, dass eine große Sünde auch eine große Veränderung erfordert. Der Mensch muss Allah mit Leib und Seele seine Aufrichtigkeit beweisen, um sich infolgedessen Seine Vergebung zu verdienen.
Die Reue wurde angenommen
Die Söhne Israels haben sich an die Anweisungen gehalten und Allah aufrichtig um Vergebung gebeten. So hat Er ihnen vergeben und ihre Reue angenommen. Wenn Allah selbst die größte Sünde, die Beigesellung bzw. den Götzendienst, vergeben hat, wird Er dann nicht auch unsere Sünden vergeben? So sollten wir uns niemals vom Satan einreden lassen, dass unsere Sünden viel zu groß sind, um Allahs Barmherzigkeit erlangen zu können. Nichts kann der Barmherzigkeit Allahs standhalten. Wir müssen sie nur vom Herzen begehren und danach streben!
Im nächsten Teil werden wir, so Allah will, die erneute Abirrung der Söhne Israels bezeugen. Solch eine gewaltige Forderung haben selbst Völker vor ihnen nicht gestellt. Viele Lehren erwarten uns in dem ständigen Auf und Ab der Söhne Israels.